Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen (Verpackungsgesetz - VerpackG)
§ 33 Mehrwegalternative für Einwegkunststofflebensmittelverpackungen und Einweggetränkebecher
(1) Letztvertreiber von Einwegkunststofflebensmittelverpackungen und von Einweggetränkebechern, die jeweils erst beim Letztvertreiber mit Waren befüllt werden, sind ab dem 1. Januar 2023 verpflichtet, die in diesen Einwegverpackungen angebotenen Waren am Ort des Inverkehrbringens jeweils auch in Mehrwegverpackungen zum Verkauf anzubieten. Die Letztvertreiber dürfen dabei die Verkaufseinheit aus Ware und Mehrwegverpackung nicht zu einem höheren Preis oder zu schlechteren Bedingungen anbieten als die Verkaufseinheit aus der gleichen Ware und einer Einwegverpackung. Satz 1 und 2 gelten nicht für den Vertrieb durch Verkaufsautomaten, die in Betrieben zur Versorgung der Mitarbeiter nicht öffentlich zugänglich aufgestellt sind.
(2) Letztvertreiber nach Absatz 1 Satz 1 sind verpflichtet, die Endverbraucher in der Verkaufsstelle durch deutlich sicht- und lesbare Informationstafeln oder -schilder auf die Möglichkeit, die Waren in Mehrwegverpackungen zu erhalten, hinzuweisen. Im Fall einer Lieferung von Waren ist dieser Hinweis in den jeweils verwendeten Darstellungsmedien entsprechend zu geben.
(3) Abweichend von § 15 Absatz 1 Satz 2 beschränkt sich die Rücknahmepflicht für Letztvertreiber nach Absatz 1 Satz 1 auf diejenigen Mehrwegverpackungen, die sie in Verkehr gebracht haben.
Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen (Verpackungsgesetz - VerpackG)
§ 34 Erleichterungen für kleine Unternehmen und Verkaufsautomaten
(1) Letztvertreiber nach § 33 Absatz 1 Satz 1 mit insgesamt nicht mehr als fünf Beschäftigten, deren Verkaufsfläche 80 Quadratmeter nicht überschreitet, können die Pflicht nach § 33 Absatz 1 Satz 1 auch erfüllen, indem sie dem Endverbraucher anbieten, die Waren in von diesem zur Verfügung gestellte Mehrwegbehältnisse abzufüllen; im Fall einer Lieferung von Waren gelten als Verkaufsfläche zusätzlich alle Lager- und Versandflächen. Bei der Feststellung der Zahl der Beschäftigten sind Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und von nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. § 33 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(2) Beim Vertrieb durch Verkaufsautomaten können Letztvertreiber die Pflicht nach § 33 Absatz 1 Satz 1 auch erfüllen, indem sie dem Endverbraucher anbieten, die Waren in von diesem zur Verfügung gestellte Mehrwegbehältnisse abzufüllen. § 33 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(3) Letztvertreiber, welche die Erleichterung nach Absatz 1 oder 2 in Anspruch nehmen, sind verpflichtet, die Endverbraucher in der Verkaufsstelle durch deutlich sicht- und lesbare Informationstafeln oder -schilder auf das Angebot, die Waren in vom Endverbraucher zur Verfügung gestellte Mehrwegbehältnisse abzufüllen, hinzuweisen. Im Falle einer Lieferung von Waren ist dieser Hinweis in den jeweils verwendeten Darstellungsmedien entsprechend zu geben.
Deutscher Bundestag Drucksache 19/28782
19. Wahlperiode 20.04.2021
Antrag
der Abgeordneten Dr. Bettina Hoffmann, Christian Kühn (Tübingen), Steffi
Lemke, Sylvia Kotting-Uhl, Gerhard Zickenheiner, Harald Ebner, Matthias
Gastel, Stefan Gelbhaar, Britta Haßelmann, Oliver Krischer, Renate Künast,
Dr. Ingrid Nestle, Markus Tressel, Dr. Julia Verlinden, Daniela Wagner und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Rein in eine Zukunft ohne Müll – Mehrweg und innovative Pfandsysteme fördern
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Deutschland ist EU-Schlusslicht bei der Vermeidung von Verpackungsabfall – allein
2018 fielen hierzulande pro Kopf 227,5 Kilogramm an. Die Tendenz ist seit Jahren
steigend. Insbesondere bei Papier- und Kunststoffverpackungen ist das Abfallaufkommen in den zurückliegenden 20 Jahren deutlich gestiegen. Ein wesentlicher Treiber
sind Versandpakete im Onlinehandel sowie immer mehr To-go-Becher und Außerhausessensverpackungen.
Der wachsende Berg an Einwegprodukten, die nach einer kurzen Nutzungsdauer zu
Abfall werden, treibt auch den Ressourcenverbrauch immer weiter in die Höhe. Der
Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen weist in seinem Umweltgutachten 2020 eindringlich darauf hin, dass es für die Einhaltung der planetaren Belastungsgrenzen einer Reduzierung der gesellschaftlichen Stoffströme bedarf. Damit
das gelingt, müssen wir unsere Einwegwirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft transformieren und die Abfallmengen drastisch reduzieren. Das Ziel ist eine müllfreie Wirtschaft bis 2050. Der Weg zur Abfallvermeidung führt über ein innovatives Produktdesign, das eine ressourcensparende Herstellung sowie die lange und mehrfache Nutzung
von Produkten ermöglicht. Insbesondere Einwegverpackungen können durch nachhaltige Mehrweglösungen einfach ersetzt werden.
Die Bundesregierung hat bislang keinen funktionierenden Plan für die Vermeidung
von Abfall. Auch der Gesetzentwurf für eine Änderung des Verpackungsgesetzes wird
die Müllflut nicht beenden. Notwendig ist ein gesetzlicher Rahmen, damit Mehrwegverpackungen überall dort, wo sie ökologisch vorteilhaft sind, einen Vorrang vor Einwegprodukten erhalten. Nicht nur für Getränkeflaschen oder Coffee-to-go-Becher,
auch für Versandverpackungen, in der Transportlogistik oder für den Verkauf von Lebensmitteln sind Mehrweglösungen möglich. Zahlreiche innovative Unternehmen stehen hier mit entsprechenden Lösungen in den Startlöchern, etwa mit Angeboten für
Mehrwegverpackungen für das Mittagessen zum Mitnehmen oder digital gestützte
Pfandsysteme.
Die Umweltvorteile von Mehrwegsystemen müssen viel besser ausgeschöpft werden.
Das bestehende Pfandsystem im Getränkebereich muss verbraucherfreundlicher werden: Es gilt, das komplizierte Pfandsystem zu entwirren, so dass jede Flasche in jeden
Pfandautomaten passt. Statt immer mehr marketingoptimierte Mehrweg-Individualflaschen müssen bestehende Mehrweg-Poolsysteme mit einheitlichen Flaschenmodellen
weiter ausgebaut werden. Das ermöglicht kurze Transportwege, regionale Kreisläufe
und eine hohe Wertschöpfung vor Ort. Viele Unternehmen des mittelständisch geprägten Getränkehandels sowie zahlreiche Hersteller und Abfüller sind bereit, hier zu investieren, benötigen aber verlässliche Rahmenbedingungen.
Bei der Förderung von Mehrwegalternativen für To-go-Becher oder Imbiss- und Außerhausverpackungen bleibt der Gesetzentwurf der Bundesregierung weit hinter dem
Möglichen zurück. Eine bloße Pflicht, Mehrwegalternativen parallel zu Einweglösungen anzubieten, wird absehbar ins Leere laufen. Vielfach stellt dies schon den Status
quo dar – mit dem Effekt, dass Mehrweglösungen eine Nische bleiben. Deshalb muss
die Schaffung eines breiten Mehrwegangebots mit dem Aufbau und der Ausweitung
verbraucherfreundlicher Pfandsysteme einhergehen. Die Rückgabe von Mehrwegbechern muss problemlos an allen Verkaufspunkten möglich sein. Kleinteilige Pfandsysteme, an denen jeweils nur wenige Cafés, Restaurants oder Bäckereien teilnehmen,
sind nicht verbraucherfreundlich. Der Aufbau einheitlicher Pfandsysteme kann durch
digitale Technologien unterstützt werden. Schon heute stellen einige Anbieter digitale
Pfandsysteme zur Verfügung, die teilweise bargeldlos und ohne komplizierte Clearingmechanismen funktionieren.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. das Aufkommen an Verpackungsabfall bis zum Jahr 2030 auf 110 Kilogramm
pro Kopf zu halbieren und dann bis zum Jahr 2050 kontinuierlich weiter abzusenken und dafür
a) in § 1 des Verpackungsgesetzes eine verbindliche Zielvorgabe festzuschreiben;
b) Mehrwegverpackungen für Lebensmittel, Getränke, Versandhandel oder
Logistik im Verpackungsgesetz zum gesetzlichen Standard zu machen,
wenn sie Einwegverpackungen ökologisch vorzuziehen sind. Die Bewertungsmaßstäbe der hierfür genutzten Ökobilanzen müssen dabei die zukünftigen Rahmenbedingungen einer kreislauforientierten und klimaneutralen
Wirtschaft berücksichtigen;
c) die EU-Abgabe für nichtrecycelte Plastikverpackungen auf die Hersteller
umzulegen und so wirksame finanzielle Anreize zur Abfallvermeidung zu
setzen. Hierzu müssen die Lizenzentgelte, die Hersteller von Verpackungen
an die Dualen Systeme zahlen, in § 21 des Verpackungsgesetzes zu einer
Ressourcenabgabe weiterentwickelt werden, die Wiederverwendung, Recycling und den Einsatz von Rezyklaten fördert;
d) einen Zero-Waste-Fonds zur Förderung von Abfallvermeidungsmaßnahmen
einzurichten, der aus dem sogenannten Pfandschlupf finanziert wird, also
Pfandgeldern, die den Verbraucher*innen nicht zurückgezahlt werden;
2. das verbraucherfreundliche Mehrwegsystem bei Getränkeflaschen zu stärken, indem sie
a) alle Lebensmittelketten und Getränkemärkte dazu verpflichtet, jede Pfandflasche zurückzunehmen;
b) eine verbraucherfreundliche Kennzeichnung von Mehrweg und Einweg direkt auf der Verpackung im Verpackungsgesetz vorschreibt;
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/28782
c) standardisierte Poollösungen durch verbindliche Designanforderungen
stärkt sowie aktuelle Brancheninitiativen für den Ausbau von MehrwegPoolsystemen unterstützt;
3. den Verbrauch von To-go-Lebensmittelverpackungen drastisch zu senken und
insbesondere den derzeitigen Verbrauch von rund einer Milliarde To-go-Bechern
pro Jahr in Deutschland bis zum Jahr 2025 zu halbieren indem
a) im Verpackungsgesetz sichergestellt wird, dass Mehrwegalternativen immer
günstiger angeboten werden müssen als Einwegverpackungen;
b) eine einfache und verbraucherfreundliche Rückgabe von Mehrwegbechern
und Mehrwegessensverpackungen durch deutschlandweite Pfandsysteme
gefördert wird. Ziel muss es sein, dass die Verbraucher*innen Pfandbecher
und Pfandboxen möglichst bei allen Verkaufspunkten zurückgeben können.
Hierbei gilt es, insbesondere die Entwicklung digitaler Pfand- und Clearingmodelle voranzutreiben. Für den Aufbau von Rücknahme- und Reinigungssystemen sollen bestehende Infrastrukturen wie Spüleinrichtungen in Kantinen sinnvoll eingebunden und digital vernetzt werden;
c) Rechtsunsicherheiten bei Lebensmittelhändlern, Cafés, Restaurants oder
Bäckereien abzubauen, die Lebensmittel, Speisen und Getränke in mitgebrachte Mehrwegbehältnisse der Kund*innen abfüllen, und hierfür bundesweit einheitliche Hygiene-Leitlinien zu erlassen;
4. sich in der EU für den Aufbau europäischer Mehrweg- und Pfandsysteme einzusetzen.
Berlin, den 20. April 2021
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion